"...Mein erster Höhenflug reichte bis an die Dienstgipfelhöhe von 9000 Metern. Ab 4000 Meter hatte ich bereits die Sauerstoffmaske aufgesetzt, ab 5000 Meter öffnete ich das Ventil. Ich hatte mich andauernd durch Betrachten meiner Fingernägel, die sich blau verfärben würden, noch ehe weitere Symptome aufträten, ermutigt, bis ich davon überzeugt war, das letzte aus meiner 109 E herausgekitzelt zu haben. Die Welt unter mir war so klein, wie ich sie vorher noch nie gesehen hatte. Über mir aber schien der Himmel fast violett. Es war ein wundervolles Gefühl zu wissen, dass in diesem Moment alles allein in meiner Hand liegt, mich niemand weisen konnte. Doch derlei Gedanken verflogen, als ich an die Rückkehr dachte. Ich hatte mich dabei weit vom Platz entfernt, sah Nürnberg nur aus der Ferne. Als ich auf unserem Platz aufsetzte, waren fünfzig Minuten verstrichen. Mir war es weitaus länger vorgekommen, höchste Zeit aber, wenn ich auf die Tankanzeige sah. Viel Treibstoff war nicht mehr vorhanden.
Dann begann die Luftkampfschulung. Jeweils zwei Maschinen wurden hochgeschickt, Treffpunkt tausend Meter über dem Platz. Beide entfernten sich durch jeweilige 90-Grad-Wendung voneinander, ließen jeweils zirka zwanzig Sekunden verstreichen, machten 180 Grad kehrt und flogen aufeinander zu. Das „Feuer“ wurde aus zirka 800 Metern Entfernung eröffnet, dauerte vielleicht zwei Sekunden und man musste schon wieder abdrehen. Wer nach welcher Seite abdrehte, hatten wir am Boden vereinbart. Nur, fragte man sich oft, weiß der andere das noch? Ein Irrtum wäre dem sofortigen Fliegertod gleichgekommen. Ich habe solches zweimal mit angesehen und selbst heute noch, wenn ich daran denke, beginne ich wieder zu zittern. Es ist ein grausamer Anblick.
Zu diesem Zeitpunkt unserer Ausbildung konnten wir noch keine Ergebnisse vorweisen. Eine genaue Trefferbestimmung war erst mit der eingebauten Zielkamera möglich. Die Auswertung derselben sahen wir uns jeweils am darauffolgenden Tag gemeinsam an, wobei die Enttäuschungen anfangs oft deprimierend waren.
Ein Jagdflieger zielt mit der Längsachse seiner Maschine, also über seinen Steuerknüppel, die Kanonen oder MGs sind starr eingebaut und auf etwa 600 Meter einjustiert. Da bleibt bei einem Frontalanflug nicht viel Zeit zum Abdrehen. Ich habe daher mit meinen „Gegnern“ vorher immer vereinbart, ziehe Du drüber, ich gehe unter Dir durch. Aber auch das war manchmal ein Unternehmen Spitz auf Knopf. Zu allem Können gehörte auch eine gehörige Portion Glück. Das hatte ich Gott sei Dank anscheinend gepachtet.
Die freien Luftkämpfe wurden fortgesetzt, indem eine Maschine im Abstand von einer anderen fünf Minuten später startete, und beide sich in tausend Metern über dem Platz trafen. Ein jeder war der „Feind“ des anderen und versuchte, diesen so lange wie möglich in seinem „Revi“ zu halten. „Revi“ ist der Ausdruck für Reflexvisier und mit der MG-Kamera verbunden. Unsere derartigen Luftkämpfe dauerten oft zehn Minuten, waren vom Boden aus gut zu beobachten und endeten nicht selten unter der Mindesthöhe von 300 Metern. Da erfuhr man zum ersten Male, was der „Zirkus“ auf der Vorschule uns nahegebracht hatte und ich begriff auch, weshalb mich bei meiner dortigen Kunstflugdemonstration der Fluglehrer so fertiggemacht hatte. Es hatte doch alles auch seinen Sinn. ..."