Die Jagdflieger Karriere meines Onkels Erwin, den jüngeren Bruder meines Vaters, war sehr kurz. Sie endete bereits im Juni 1943 kurze Zeit nach Antritt der Ausbildung mit dem Tod.
Aus Vaters Aufzeichnungen:
"...Erwin aber schickte mir ein Bild von sich in Postkartengröße, das ihn in Fliegerkombi zeigte. Er war von der AB-Schule ganz begeistert und wollte auch die weiterführende Ausbildung zum Jagdflieger erstreben. Er war in Mengen an der Donau stationiert. Beide Briefe beantwortete ich noch am gleichen Abend. ..."
"...Meinem Vater hatte ich lange nicht mehr geschrieben und so war es mir ein Bedürfnis, ihn gleich anzurufen. Wir gingen zur Post und dort erhielt ich auch gleich eine Verbindung. Als mein Vater meine Stimme vernahm, fragte er nur: „Wie hast du das so schnell erfahren?“ Ich wusste nicht wovon er sprach und musste nachfragen.
„Erwin ist gestern in Mengen tödlich abgestürzt. Ich versuche schon die ganze Zeit dich zu erreichen. Er wird überführt und hier übermorgen beerdigt.“ Das war ein Schlag für mich! Ich fragte aber nicht weiter nach den Umständen sondern versicherte ihm nur, dass ich zur Beerdigung kommen würde. Obwohl ich da noch nicht wusste, wie dies ermöglicht werden sollte. Die Freudenstimmung war auf dem Nullpunkt. Ich schickte Annelies allein zurück und machte mich auf den Weg zum Flugplatz, wo ich mich beim Kommandanten melden ließ. Erst als ich zum wiederholten Male den Grund vorgetragen hatte, war man so gnädig, mich zu empfangen. Der Kommandant hatte gewechselt und hieß Hptm. Schrimpel. Im Vorzimmer hatte ich noch gefragt, ob er ein Dr. Schrimpel sei, denn dieser Name war mir von meinem Vater her bestens bekannt, sie waren Duzfreunde.
Ich wurde eingelassen, stellte mich als Hohenelber vor und aus der Respektsperson wurde im Handumdrehen ein väterlicher Freund. Als ich ihm vom Tod meines Bruders berichtete, von dem ich erst vor einer Stunde erfahren hatte, sagte er mir spontan seine Hilfe zu. Nur um die Angelegenheit auch für ihn vertretbar zu machen, rief er gleich noch meinen Vater an. Er konnte ihn zwar nicht mehr erreichen, aber seine Sekretärin bestätigte meine Angaben. Er stellte mir einen achttägigen Sonderurlaub aus, nach welchem ich mich wieder bei ihm zu melden hatte. Mit besten Grüßen an „Reinhold“ entließ er mich dann, nachdem er mir auch sein Beileid ausgesprochen hatte.
Als ich wieder heim kam vermischte sich die Wiedersehensfreude mit Mitgefühl und Trauer. ...
...Ich hatte Vater noch nie vorher in einer derartigen körperlichen Verfassung erlebt. Er schien mir um Jahre gealtert. Auch er wusste nichts Näheres über das Schicksal von Erwin zu berichten. Die Beerdigung war für den nächsten Tag angesetzt. Großmutter war nur den ganzen Tag am Weinen und den Krieg verfluchen. Ich ging noch durch die Stadt und traf dabei einen alten Spielkameraden, der Urlaub von der Marine hatte. ...
...Am nächsten Tag reiste mit dem Sarg auch eine Ehrenkompanie an. Auf mein intensives Nachfragen über den Unfallhergang wich man mir beständig aus. Was ich nur mit Sicherheit erfahren konnte, war ein Absturz aus über tausend Meter Höhe nach einer Kunstflugübung bei welcher sich eine Fläche gelöst haben sollte. Die Maschine sei ins Steiltrudeln gekommen, wobei die Zentrifugalkräfte so gewaltig gewesen seien, dass sie meinen Bruder am rechtzeitigen Aussteigen gehindert hatten. Er sei in einen Baum am Rande der Straße gestürzt und nur unwesentlich äußerlich verletzt worden. Das nahm ich diesen natürlich nicht ab und als ich ihnen klar machte, dass ich als Jagdflieger zahlreiche derartige Unfälle schon gesehen habe, kam Näheres zutage, was ich meinem Vater aber verschwieg.