Mein erster Auftrag ging nach Riga, der lettischen Hauptstadt. Ein wichtiger Teil war von dort nach Erding bei München zu befördern. Die Wichtigkeit brauchte man mir nicht sonderlich zu erklären, sie ergab sich allein schon daraus, dass das Teil per Kurier befördert werden musste. Es war für mich wieder der erste Überlandflug und ich genoss ihn fast wie den ersten Alleinflug. Bei meinen Zwischenlandungen demonstrierte ich mit Vorliebe ganz kurze Landeanflüge und ebensolche Starts. Auf dem Rückflug hatte ich aber derartigen Gegenwind, dass ich bei einem Anflug auf Iglau über dem Landekreuz in zwanzig Metern Höhe zum Stehen kam, ja mich sogar rückwärts bewegte. Man schoss mir rot vor, das hieß Landeanflug abbrechen. Also versuchte ich einen erneuten Anflug. Ich musste richtig gegen den Wind ankämpfen, zog mich in Bodennähe bis an das Landekreuz heran, konnte das gas aber nicht ganz wegnehmen, da ich sonst wieder rückwärts entschwunden wäre. Also ging ich mit Halbgas an den Boden heran und kam, direkt auf dem kreuz, mit stehenden Rädern aber immer noch erhobenem Schwanz zum Halten. In dieser Lage musste ich verweilen bis etliche Leute zu Hilfe kamen, sich an die Verstrebungen hängten und mich zur Halle schoben.
Ich erwähne das, weil das auch für mich eine völlig neue Erfahrung war. Als ich in Pilsen neu aufgetankt hatte, ging es über den Böhmer- und Bayerischen Wald. Der Wind war zwar nicht mehr so stark wie in Iglau, aber dafür richtig böig. In einer schnelleren Maschine hätte man das wahrscheinlich gar nicht mitbekommen, so aber ging es schon gewaltig auf und ab und ich merkte ganz schnell ein Aufkommen von Übelkeit, die ich schließlich nicht mehr unterdrücken konnte. Ich musste mich übergeben. Im Nu waren die Instrumente nicht mehr zu erkennen und bei diesem Übelsein musste ich noch gewaltig ins Steuer greifen. Erding hatte ich dann doch noch erreicht und für einen Träger Bier an die Techniker auch wieder eine saubere Maschine für den Rückflug.
Dieser Flug gab mir zu denken. Nie zuvor hatte ich ähnliche Gefühle gekannt. Ich brachte es mit meinem Unfall in Verbindung und vertraute mich einem Arzt an. Dieser meinte, ich sei zu früh nach meinem Unfall flugtauglich geschrieben worden und wollte dies sofort abändern. Ich ersuchte ihn, dies vorerst noch so zu belassen und weitere Erfahrungen abzuwarten. Seit diesem Vorfall beobachtete ich mich selbstkritisch. Zum Erbrechen kam es zwar nicht mehr, wohl aber des öfteren, besonders an heißen Tagen, zu Kopfschmerzen und allgemeinem Unwohlsein.
Besonders merkte ich das wieder, als ich einen Major mit einer Me 108 über die Ardennen flog. Ich war vor englischen Jägern gewarnt worden, die sich ab und zu bis in diese gebiete gewagt hatten und flog entsprechend tief, dass ich schon ab und zu höherragende Wipfel köpfte, bis mich der Major fragte: „Kommen Sie wohl aus der Jägerei?“ Als ich ihm das bejahte, schien ihn das zu beruhigen. Wenn der gewusst hätte, welche Angst ich ausgestanden hatte, nur nicht wieder mein ganzes Essen zu verlieren. In Les Bourges hatte ich ihn abgeladen und mich in der Kantine reichlich mit französischen Spezialitäten eingedeckt...